Kamenz: Notunterkunft für Flüchtlinge nimmt Betrieb auf

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Ausnahmezustand in Kamenz. Seit den Mittagsstunden sind hier dutzende Helfer des Katastrophenschutzes an einer Turnhalle am Siedlungsweg aktiv, um das Vereinsgebäude zu einer Unterkunft für Asylbewerber herzurichten. Zuvor musste innerhalb von 24 Stunden ein Polizeisportverein ausziehen, da das Gebäude dem Freistaat gehört und dieser die Turnhalle für die Flüchtlinge brauchte. „Derzeit gibt es einen enorm großen Zustrom von Asylbewerbern, vor allem auch aus dem Kosovo. Daher sind wir in der Situation, dass wir zusätzliche Notunterkünfte schaffen müssen“, erzählt Ingolf Ulrich von der sächsischen Landesdirektion. So wurde dem Verein am Mittwoch eine Nutzung der Halle untersagt, ein Umzugsunternehmen wurde damit Beauftragt, die Sportgegenstände am Donnerstag aus der Halle zu räumen, damit schon am Freitag die ersten Asylbewerber einziehen konnten. Inzwischen hat das Landratsamt dem Sportverein eine neue Trainingsmöglichkeit zur Verfügung gestellt, damit vor allem die Kinder- und Jugendarbeit weiter gehen kann. Und auch der Oberbürgermeister setzt sich dafür ein, dass solche kurzfristigen Aktionen nicht nocheinmal vorkommen. „Das einfache Kündigen und damit das Vermitteln scheinbar vollendeter Tatsachen ist in unseren Augen völlig falsch und an der Stelle auch ganz deutlich vom Handeln her deplatziert“, so das Stadtoberhaupt am Mittag in einer Pressekonferenz. Auch wenn die Angelegenheit mit der Stadt Kamenz nahezu nichts zu tun hat: OB Dantz erhielt schon am Donnerstag heftige Drohungen per E-Mail und auf Facebook. „Und wenn der Tag der Abrechnung kommt, werde ich dabei sein, wenn du menschlicher Abfall verbrannt wirst – lebendig ins Feuer, versteht sich“, musste der Oberbürgermeister in einer an ihn gerichteten E-Mail lesen. Dennoch will sich das Stadtoberhaupt nicht unterkriegen lassen und vertritt weiter die Interessen der Bürger. Dantz ist froh, dass der betroffene Sportverein gemeinsam mit der regionalen Politik eine schnelle Lösung finden konnte und die Kinder weiter trainieren können. Währenddessen kamen am Nachmittag die ersten drei Busse mit Asylbewerbern in Kamenz an. 125 Männer, Frauen und Kinder aus der überfüllten Erstaufnahmeeinrichtung in Schneeberg wurden an der Turnhalle von Helfern registriert und untergebracht. Hier bekommen die Flüchtlinge warmes Essen und wenigstens ein Feldbett, ehe sie nach hoffentlich wenigen Tagen einer festen Asylbewerberunterkunft zugewiesen werden. Das Not-Heim in Kamenz soll nur als Zwischenunterkunft dienen, von wo aus langfristige Plätze widerum belegt werden. Wie lange die Notlösung in Kamenz betrieben wird, ist aber unklar. Man geht davon aus, dass die Eröffnung einer neuen Einrichtung im Sommer in Leipzig der Punkt sein könne, an der Kamenz wieder seinen Betrieb einstellen kann. Dass das in Kamenz nicht gern gehört wird, zeigten am Freitag auch dutzende Teilnehmer einer spontan angemeldeten Demo – direkt vor dem Asylheim. „Kamenz wehrt sich“ prangte hier auf den Spruchbändern der Demonstranten. Auch wenn das Ganze von der Polizei abgesichert wurde – die Flüchtlinge, darunter viele Familien mit Kindern, hätten auch freundlicher begrüßt werden können. (RL)